Sitzung: 16.07.2015 2015/SR/017
Stadtrat Hofer stellte folgenden Fragen an die Verwaltung:
Stimmt
die Information, dass
1)
…neuere Techniken wie LTE oder UMTS eine über fünfzig Mal
höhere Daten-Übertragungsrate aufweisen als die jetzt zu installierende TETRA
Technik?
2)
…in dieser Technik jeder
Handy-Anruf sich erst bei der nächsten Relaisstation einloggen muss (
in KE stehen zwei solcher Masten: einer auf dem Mariaberg und
einer in Letten), was im Notfall bis zu drei Minuten dauern kann?
3)
…deshalb nicht nur in der Erprobungs- und Übergangs- sondern
auch während des "Normalbetriebszeit" die Digitaltechnik
weiterhin als Zweit/ = Rückfalltechnik weiterbetrieben werden muss?
4)
…die Bergwacht aus diesen und anderen Gründen an der Installierung der TETRA-Technik
gar nicht teilnimmt?
5)
…diese Technik in Gebäuden (Klinikum, Tiefgaragen ....) schlecht bis oft
gar nicht funktioniert, so dass dort teure Repeater eingebaut werden müssen,
die im Brandfall aber dann evtl. nicht funktionieren?
6)
…in Deutschland bisher kein Großversuch (über Länder- resp.
Staatsgrenzen hinweg) durchgeführt wurde?
Amtsleiter Michael Fackler trug zu den gestellten Fragen folgendes vor:
Zu 1): Die Bedürfnisse
der BOS im Einsatz unterscheiden sich von den modernen Funktionen herkömmlicher
Mobilfunknetze und -geräte deutlich. So ist die Übertragung großer Datenmengen
wie beispielsweise über das Internet nicht erforderlich. Umso höher sind jedoch
die Anforderungen an Ausfallsicherheit, Kooperation unterschiedlicher
Einsatzkräfte, Notruffunktion, Abhörsicherheit u. a..
Die derzeitige Datenübertragungsrate von TETRA ist zwar geringer als im kommerziellen
Mobilfunk (z.B. UMTS oder LTE) – sie erfüllt jedoch die von den BOS definierten
operativ-einsatztaktischen Anforderungen einer breitbandigen Sprach- sowie
einer schmalbandigen Datenübertragung in vollem Maß und ermöglicht
beispielsweise die Fahrzeughalterabfrage bei einer zentralen Datenbank.
Zu
2):
Digitale Funknetze bestehen aus einzelnen Funkzellen, in der sich jeweils eine
Sende- und Empfangsanlage, die sog. Basisstation, befindet. Allen
Basisstationen ist gemein, dass sie kontinuierlich über den sog.
Organisationskanal ein Signal aussenden. Über dieses Signal können sich alle
Endgeräte, die in dieser Zelle verwendet werden, einbuchen und bei Fortbewegung
oder Zellwechsel Verbindung zur Basisstation halten. Darin unterscheidet sich
der Funkstandard TETRA des BOS-Digitalfunks nicht von den Mobilfunkstandards
GSM, UMTS und LTE. Es trifft zu, dass es beim Verbindungsaufbau für einen
Funkspruch zu kurzzeitigen Verzögerungen im Sekundenbereich kommen kann.
Für den Notfall sind sämtliche Endgeräte mit einem Notrufkopf versehen. Beim
Drücken dieses Knopfes wird ein Ruf mit höchster Priorität abgesetzt. Abhängig
von der durch die jeweilige BOS festgelegten Adressierung geht der Notruf
entweder in die nächste Leitstelle oder/und in die aktive Gruppe. Alle anderen
Gespräche der Gruppe werden in diesem Fall sofort unterbrochen, d. h. sämtliche
Teilnehmer dieser Gruppe hören dann, was im Umfeld des Notrufs vor sich geht.
Zusätzlich werden die GPS-Daten des zuletzt bekannten Standortes des
Notruf-Absenders bzw. des Funkgerätes übertragen. Dies kann Unterstützungs- und
Rettungsmaßnahmen entscheidend erleichtern und beschleunigen.
Zu
3):
Wir gehen davon aus, dass hier der Analogfunk als Rückfallebene gemeint ist.
Ob und ggf. wie lange der analoge Funk vorgehalten
werden muss, hängt wesentlich davon ab, ob sich alle BOS am Digitalfunk
beteiligen und ob sie dabei als Erstteilnehmer auftreten. Der Analogfunk muss
zumindest bis zum erfolgreich beendeten erweiterten Probebetrieb betrieben
werden. Erst mit Eintritt in den Wirkbetrieb kann er sukzessive zurückgebaut
werden. Die Bayerische Polizei kann frühestens mit der Ablösung des Analogfunks
beginnen, wenn alle Polizeipräsidien den Digitalfunk im Regelbetrieb nutzen. Es
muss darüber hinaus sichergestellt sein, dass eine Kommunikation mit noch
nicht den Digitalfunk nutzenden Fremdkräften ermöglicht wird.
Im nichtpolizeilichen Bereich liegt die
Abschaltung des Analogfunks und die vollständige Ablösung durch den
BOS-Digitalfunk in der Entscheidung der regionalen Sicherheitsbehörden,
für die Feuerwehren und den Katastrophenschutz bei den Landratsämtern, sofern
die Entscheidungsbefugnis nicht im Einzelfall auf den Zweckverband für
Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) übertragen wurde, für den
Rettungsdienst beim ZRF.
Sofern sich die nichtpolizeilichen BOS in
einem Landkreis für eine weitere Verwendung des Analogfunks entscheiden oder
ihre Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben möchten, müssen in
diesem örtlich begrenzten Bereich weiterhin analoge Sendeanlagen betrieben
werden, auch wenn dort BOS-Basisstationen vorhanden sind und/oder umliegende
BOS-Basisstationen dieses Gebiet digital mit abdecken. Gleichzeitig muss
sichergestellt werden, dass bei einem überörtlichen Einsatz genügend analoge bzw.
digitale Endgeräte vorhanden sind, um mit den jeweils im anderen Funksystem
funkenden BOS kommunizieren zu können.
Zu
4):
Die Bergwacht ist entgegen anderslautender Medienberichte erklärter
Erstteilnehmer des BOS-Digitalfunks. Dies bekräftigte der Geschäftsführer der
Bergwacht Bayern, Herr Gerhard Opperer, bereits Anfang Juli 2011: „Durch
den Freistaat Bayern wird ein enormer Aufwand betrieben, unsere Einsatzgebiete
so leistungsstark auszuleuchten, dass wir fast flächendeckend mit digitalen
Handfunkgeräten arbeiten können.“
Arbeiten an Gleichwellenfunknetz der Bergwacht dienen lediglich der
Überbrückung bis zur Ablöse durch den Digitalfunk.
Zu
5):
Je nach Art und Beschaffenheit eines Gebäudes (z.B. Stahlbeton, Metallfassade)
ist die Funkversorgung im Inneren nur zum Teil möglich. Bereits für den
Analogfunk sind in vielen dieser Gebäude Objektfunkanlagen installiert.
Welche Gebäude künftig mit Objektfunkanlagen ausgestattet werden müssen bzw.
welche bestehenden Analogfunk-Anlagen umgerüstet werden müssen, kann erst dann
geprüft werden, wenn der jeweilige Netzabschnitt mit Digitalfunk versorgt ist.
Erst dann kann festgestellt werden, ob ein Gebäude bereits durch die
Freifeldstationen mitversorgt wird oder eine zusätzliche Objektversorgung
notwendig ist.
Zu
6):
Der G7-Gipfel 2015 in Elmau stellte den BOS-Digitalfunk vor seine bislang
größte Herausforderung. Dank des robusten und leistungsfähigen
TETRA-Funkstandards hat er sich auch unter Volllast und bei Unwetter mit
Gewitter und Starkregen – wie schon bei Orkantief „Niklas“ Ende März 2015 –
hervorragend bewährt.
Zu Spitzenzeiten waren beim G7-Gipfel fast 18.000 Endgeräte im Einsatz; an
einer Basisstation mitunter bis zu 7.500 Endgeräte zeitgleich. Damit setzte der
Einsatz europaweit Maßstäbe, vergleicht man ihn mit dem bisher größten
Digitalfunk-Einsatz bei der Olympiade 2012 in London.